09.11.2024

Exzellenz fördern statt Gleichmacherei fordern – hessische Hochschulen wieder attraktiv machen

Wir betrachten mit Sorge, dass Deutschland als Hochschul- und Wissenschaftsstandort und damit auch Hessen, an Attraktivität verliert. Deutschland braucht weltbeste Hochschulen, um Innovation, Fortschritt und am Ende auch wirtschaftlichen Aufschwung zu gewährleisten. Deutsche  Hochschulen müssen also attraktiver werden für die weltbesten Studenten und Forscher. Dazu reicht es nicht, mehr zu investieren, es bedarf vor allem effizienterer Strukturen, die Leistung belohnen, fördern und fordern. Deutschlands Hochschulbildung muss exzellent werden. Hierzu fordern wir:  

 Fördern und fordern von akademischer Leistung 

Leistung muss sich auch im universitären Raum lohnen. Wer besonders gute akademische Ergebnisse erzielt, soll dafür besondere Förderung erfahren. Wir befürworten daher Begabtenförderungsprogramme und „Honors Programs“ für die leistungsstärksten Studenten ihrer Jahrgänge, wie sie einige Hochschulen in Deutschland und zahlreiche Hochschulen in Amerika schon anbieten. Diese bringen extracurriculare Fähigkeiten und Inhalte aus dem akademischen Bereich nahe und bieten leistungsfähigen Studenten den Blick über den Tellerrand und einen zusätzlichen Anreiz zu akademischer Leistung.   

Studenten in Deutschland haben bei guter Leistung zahlreiche Möglichkeiten, mit Stipendien gefördert zu werden. Der deutsche Staat unterstützt dies aktuell durch die Befreiung von Stipendien von der Einkommenssteuer – allerdings nur für die klassischen Begabtenförderungsstipendien. Branchenspezifische Stipendien von Unternehmen oder Stiftungen, Gründungsstipendien oder vergleichbare Stipendien fallen nicht unter diese Begünstigung. Wir fordern, dies zu ändern und alle Stipendien nach dem bisherigen Modell von der Einkommenssteuer zu befreien.  

Zudem fordern wir, Promotionsstipendien von Begabtenförderwerken dahingehend attraktiver zu gestalten, als dass das Eigenvermögen bei der Vergabe dieser nicht mehr berücksichtigt werden soll.  

Wir fordern außerdem den konsequenten Ausbau der Exzellenzinitiative, um Eliteuniversitäten als nationale Leuchtturmprojekte aufzubauen. Dies ist insbesondere zur Gewinnung von nationalen und internationalen Top-Professoren und –Studenten in Spitzentechnologien wie Artificial Intelligence unabdingbar und essenziell für die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zukunft Hessens und Deutschlands im internationalen Umfeld. 

 Flexiblere Lehre 

Die Hochschulen in Hessen arbeiten oftmals zu isoliert voneinander. Die Anerkennung von ECTS-Punkten beim Wechsel zwischen Universitäten muss vereinfacht werden, um Mobilität innerhalb Hessens und Deutschlands beim Studium zu vereinfachen. Daneben fordern wir Maßnahmen, die die Synergieeffekte zwischen Hochschulen erhöhen sollen und befürworten hierzu vor allem die Möglichkeit in den Prüfungsordnungen einzuführen, in beschränktem Umfang einzelne Module im Studium auch an anderen Hochschulen belegen zu können, um beispielsweise besondere Schwerpunktsetzung auch über die eigene Universität hinweg zu ermöglichen. Wir fordern, dass dies perspektivisch auch EU-weit möglich ist, sofern die qualitativen Rahmenbedingungen entsprechend der Bologna-Reform angeglichen sind.  Kooperationsstudiengänge, sie sie etwa zwischen der Justus-Liebig-Universität und der Technischen Hochschule Mittelhessen vorhanden sind, begrüßen wir ausdrücklich. In ihnen sehen wir eine gute Nutzung von Synergien zwischen zwei Hochschulen, ihre Exzellenzen zu verbinden.

 Gerechte ECTS-Bewertung 

Die ECTS-Punktevergabe spiegelt oftmals den tatsächlichen Arbeitsaufwand der Studenten nicht wider. Dies führt zu einer unfairen und unangemessenen Gewichtung von Modulen, wenig Vergleichbarkeit und zu einer Über- oder Unterforderung der Studierenden. ECTS-Punkte sollen die Anzahl der benötigten Arbeitsstunden bis zum  Modulabschluss, Schwierigkeit und Umfang des bewerteten Moduls widerspiegeln. Dies ist in der Realität oft nicht gegeben. Studiengänge, die durch das Bologna-System nun die selbe Dauer haben, hatten zuvor bis zu zwei Jahre Unterschied in ihrer Regelstudienzeit. Im Bezug auf die BAFöG-Bemessungsdauer führt dies zu erheblichen Ungleichbehandlungen, diese muss flexibel an die faktischen Unterschiede im Arbeitsaufwand der Module angepasst werden. Wir fordern daher, das System der ECTS-Punktebewertung durch eine entsprechende Kategorisierung und empirische Evaluation der Module flächendeckend und kontinuierlich neu zu evaluieren. 

 Verzahnung von Hochschule und Wirtschaft 

In Hessen und Deutschland ist das Studium oft zu isoliert gestaltet und bereitet im internationalen Vergleich nur unzureichend auf den Beruf vor. Wir befürworten die engere Zusammenarbeit von Hochschulen mit der Wirtschaft, um einem deutschen Hochschulabschluss bessere Einstiegsmöglichkeiten und mehr Know-How für die freie Wirtschaft mitzugeben. Diese Zusammenarbeit soll – je nach Studiengang – in enger Abstimmung mit Vertretern der betreffenden Branchen und Berufsfelder erfolgen. Diese Möglichkeit soll in den jeweiligen Studienordnungen verankert werden, wobei Kooperationen insoweit auf festzulegende Module zu begrenzen sind, dass der wissenschaftliche Anspruch der Lehre stets gesichert ist.

Weiterhin soll Studentenvertretungen, die Kontakte zu Unternehmen knüpfen wollen – sei es als Sponsor bei Veranstaltungen oder Karriereevents – keine Steine in den Weg gelegt werden. Die Allgemeinen Studentenausschüsse fordern wir auf, Maßnahmen zur Karriereförderung ihrer Studenten zu ergreifen und die Fachschaften in dieser Arbeit zu unterstützen.

Auch fordern wir die Hochschulen dazu auf, studentische Gründungen aus der Universität heraus zu unterstützen: Durch Unterstützung beim administrativen Weg zur Gründung und Patentanmeldung und durch zumindest vorübergehende Kostenübernahme für entsprechende Patent- und Gewerbeanmeldungen. Das Land Hessen soll den Hochschulen dafür zusätzliche Mittel bereitstellen.   

Zudem fordern wir die Einrichtung einer deutschlandweiten Plattform, auf der Unternehmen (oder auch staatliche Akteure wie die Bundeswehr oder die Polizei) benötigte und Wissenschaftler beabsichtigte Forschungen einstellen können und sich die jeweils andere Seite mit einem Angebot zur Forschung beziehungsweise zur Finanzierung melden kann, um gezielt auf dem Markt benötigte Forschung zu fördern.   

 Bürokratieabbau 

Universitäten in Hessen sind zu bürokratisch. Wir fordern, dass die universitären Verwaltungen papierlos werden und sich daneben zu Prinzipien effizienter Datenerhebung bekennen. Wir fordern das „Once-only“-Prinzip, nach dem Universitäten und angegliederte Institutionen persönliche Daten wie bisherige Abschlüsse und vergleichbare Angaben nur einmal erheben sollen, anstatt für Immatrikulation, Anmeldung zum Bachelor-/Masterverfahren, die Einrichtung von Bibliothekszugängen und für weitere verwaltungsinterne Vorgänge jeweils separat.    Institutionen wie Prüfungsämter, welche oftmals mehrfach vorhanden sind, sollten zusammengefasst werden, um die Anzahl an Ansprechpartnern für ein und die selbe Sache zu verringern.

 Lebenswerte und moderne Unis 

Nicht nur die Lehre und Verwaltung hessischer Hochschulen muss exzellent werden. Auch die Hörsäle, Campen und Lehrgebäude sollten modernisiert werden, statt zu verrotten, sie sollen barrierefrei werden, statt unzugänglich für bestimmte Gruppen zu bleiben. Nur Geld auf die Hochschulen zu werfen, hilft nicht. Wir fordern starke Vereinfachungen am Baurecht, um den Ausbau akademischer Bauten drastisch zu vereinfachen und vergünstigen, anstatt mit immer neuen Brand- und Denkmalschutzargumenten marode Unis verfallen zu lassen. Dabei soll bei historischen Bauten der historische Wert gesichert werden, während die Gebäude gleichzeitig modernisiert und an aktuelle Baustandards angepasst werden. Die Abrufung von Landes- und Bundesmitteln sollte zudem stark vereinfacht werden und bei Begründung auch für mehrere Jahre kumuliert erfolgen dürfen, um Großprojekte und Sanierungen gebündelt durchführen zu können. Dass Unihauptgebäude auf Jahrzehnte hinweg schließen müssen, weil die Mittel zur Sanierung erst nach und nach abgerufen werden können, obwohl sie theoretisch bereitstünden, sollte nicht vorkommen müssen.   

Neben baulicher Modernisierung bedarf es an Hochschulen auch der umfassenden Digitalisierung. Diese soll nicht punktuell, sondern flächendeckend erfolgen. Dem Vorbild des Digitalpaktes Schule folgend fordern wir daher einen „Digitalpakt Hochschule“, der das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich lockert und es dem Bund ermöglicht, die Digitalisierung von Hochschulen flächendeckend zu fördern. Bei der Digitalisierung der Hochschulen sollen vor allem Lerneffekte aus der Corona-Pandemie berücksichtigt werden. Insbesondere bedeutet dies, angefertigte Vorlesungsaufzeichnungen beizubehalten und digital zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich sind universitäre Veranstaltungen aufzuzeichnen, insbesondere Vorlesungsformate. Auf diese Weise soll es Studierenden ermöglicht werden verpasste oder komplizierte Inhalte erneut anschauen und besser verstehen zu können. Des Weiteren sollen neue Erkenntnisse zur Nutzbarmachung von künstlicher Intelligenz berücksichtigt werden.  

Ein besonderer Fokus der Digitalisierung soll auf den Hochschulbibliotheken liegen, deren Literatur und weitere Angebote nach Möglichkeit vollständig digital verfügbar sein sollen. Wir erkennen jedoch auch, dass es ein langer Prozess bis hin zur komplett digitalen Verfügbarkeit ist und fordern so lange, die Hauptbibliotheken der Hochschulen nach Möglichkeit durchgängig offen zu halten. Allgemeine Personalkapazitäten sind zur Kostenreduktion hierbei auf ein Minimum zu reduzieren.  

 Seriöse Finanzierung 

Die stetige Modernisierung von Hochschulen kostet viel Geld. Diese Kosten sind für den Staat und Hochschulen teilweise über einen kurzen Zeitraum (beispielsweise bei gebündelter Mittelabrufung) sehr hoch, oder (beispielsweise bei der Erneuerung der Verwaltung oder bei der Digitalisierung) ein kontinuierlicher, nicht geringer Zusatzposten. Wir sind der Überzeugung, dass dies notwendig ist, um weltbeste Hochschulbildung nach Hessen zu bringen, da diese einer der wichtigsten Garanten für eine leistungsfähige, innovative Wirtschaft ist. Es stellt sich also die Frage der Finanzierung. Schulden können auf diese Herausforderung nicht die Antwort sein. Wir bekennen uns daher zur staatlichen Schuldenbremse. Seriöse Gegenfinanzierung sehen wir deshalb weiterhin in den nachgelagerten Studiengebühren als effizienten und sozial gerechten Weg, die Kosten unseres Hochschulsystems zu stemmen. Um einen weiteren Leistungsanreiz zu schaffen, fordern wir die Befreiung von den nachgelagerten Studiengebühren für die besten Absolventen ihres Jahrgangs. Bis zur Einführung nachgelagerter Studiengebühren und bei Bedarf auch darüber hinaus fordern wir zudem, der Hochschulbildung in den Haushalten von Bund und Ländern mehr relatives Gewicht einzuräumen.   

Daneben begrüßen wir zur Selbstfinanzierung der Hochschulen explizit Finanzierungsmodelle wie den Verkauf von Namensrechten der Hochschulgebäude, die gemeinsame Nutzung von Gebäuden mit Unternehmen und die Vermietung von Werbeflächen beispielsweise an Fassaden. Hochschulen sollen qua Hochschulgesetz des Landes zur Mittelanwerbung auf solche und vergleichbare Arten angehalten werden. Insbesondere Alumni-Netzwerke sollen nach Möglichkeit vermehrt zur Finanzierung der Hochschulen genutzt werden, wie es in den USA bei privaten Hochschulen üblich ist. Dadurch wird auch die Vernetzung zwischen Hochschulen und Industrie verbessert.  

Auch sollen die Hochschulen durch das hessische Hochschulgesetz (HHG) dazu angehalten werden, bei der Neueinrichtung von Studiengängen besonders die Finanzierung dieser durch private Geldgeber zu forcieren – beispielsweise bei technischen Spezialisierungsstudiengängen durch Unternehmen, für die die daraus erworbenen Fähigkeiten besonders von Interesse sind.  

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