Als die Freien Demokraten 2013 den Einzug in den Bundestag verpassten, hat die Partei einen beispiellosen Erneuerungsprozess angestoßen. Damals änderte sich weitaus mehr als nur die Farben des Parteilogos. Das neue Leitbild der FDP definiert seitdem, wie die Partei sich selbst sieht und präsentieren will: mutig, optimistisch, europäisch, weltoffen, empathisch und lösungsorientiert. Das Leitbild bringt das gemeinsame Ziel aller Freien Demokraten auf den Punkt: Mehr Chancen durch mehr Freiheit. Die Wählerinnen und Wähler haben Lust auf eine liberale Partei, die dieses Ziel in das Zentrum ihres politischen Handelns rückt. Diesen Fortschritt haben wir aber zwischen 2017 und 2025 in großen Teilen wieder verloren. Auch deswegen haben wir bei der Bundestagswahl am 23.02.2025 das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler verloren. Das darf uns bei dem jetzt startenden Erneuerungsprozess nicht wieder passieren, deswegen ist darauf zu achten, dass wir diesmal Änderungen wo möglich satzungstechnisch und strukturell dauerhaft umsetzen.
Auch die FDP Hessen muss sich innerverbandlich erneuern, um nach außen hin weiterhin als wählbare Partei wahrgenommen zu werden. Die Prozesse und Strukturen innerhalb der Partei müssen weiterentwickelt werden. Wir wünschen uns einen Landesverband, der Mitglieder stärker einbindet; einen Landesverband, der der Maschinenraum für die neuesten Ideen ist; einen Landesverband, der so modern wird, wie ihre Mitglieder es schon längst sind. Entsprechend unseres Anspruchs, die Freien Demokraten kritisch-konstruktiv zu begleiten, legen wir hiermit unsere Vorschläge für den fortlaufenden und hoffentlich nie endenden Reformprozess der FDP Hessen vor.
Bessere und transparentere Personalentscheidungen
- Urwahlen fürs Spitzenpersonal
Als Liberale wissen wir, dass Entscheidungen am besten laufen, wenn Sie von allen Stakeholdern gemeinsam getroffen werden. Deshalb sollen der Landesvorsitz der FDP und die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl in Zukunft durch eine Urwahl aller Mitglieder der FDP Hessen gewählt werden. Ein Mindestquorum an Unterstützern ist dabei die Voraussetzung, um in der Urwahl kandidieren zu können.
- Rechenschaftsberichte und Bewerbungsverfahren
Damit Wettbewerb auch ehrlich die Arbeit von Amts- und Mandatsträgern statt der Rhetorik von Kandidaten beurteilen kann, müssen die Wahlberechtigten wissen was in der vergangenen Wahlperiode geleistet wurde. Alle Landesvorstandsmitglieder und hessischen Abgeordneten im Europäischen Parlament, Bundes- oder Landtag müssen zur Neuwahl bzw. erneuten Listenaufstellung einen Rechenschaftsbericht über ihre Arbeit bereitstellen.
Alle Kandidierenden für ein Landesvorstandsamt oder einen aussichtsreichen Listenplatz zu einer mindestens landesweiten Wahl müssen in einem Bewerbungsschreiben ihre Ziele und Vorhaben vor dem Landesparteitag bzw. der Landesvertreterversammlung vorstellen. Für spontane Kandidaturen ist eine Ausnahmeregelung zu schaffen, die sicherstellt, dass das Bewerbungsverfahren in der Regel eingehalten wird.
- Online Vorwahlen für Listen
Wir fordern eine mitgliederoffene Online-Vorwahl für die Aufstellung der Landesliste zu Bundestags- und Landtagswahlen. Zur Vorstellung der Kandidierenden soll eine digitale Plattform geschaffen werden. Alle hessischen FDP-Mitglieder können die Bewerbungen einsehen und ihre Unterstützung bekunden. Wer eine hinreichende Zahl an Unterstützerinnen und Unterstützern auf sich vereint, wird zur Online-Vorwahl zugelassen. Bei der Online-Vorwahl können die Mitglieder über die Reihung der Kandidierenden auf der Landesliste – mit Ausnahme der Spitzenkandidatin oder des Spitzenkandidaten – abstimmen. Dies kann z.B. über die Vergabe von Punkten erfolgen, wie es in ähnlicher Form bei den NEOS praktiziert wird. Das so zustande gekommene Ranking geht dann der Landesvertreterversammlung als Vorschlagsliste zu. Wettbewerbskandidaturen bleiben natürlich weiterhin möglich.
- Kodifizierte Bezirksvorsitzendenrunde
Die informelle Natur der Bezirksvorsitzendenrunde gepaart mit ihrer Bedeutung für personelle und inhaltliche Entscheidungen im Landesverband, gibt ihr eine schwierige Rolle in unserem Landesverband. Deswegen soll eine offizielle Bezirksvorsitzendenrunde eingerichtet werden. Ihr sollen die Bezirksvorsitzenden, der Landesvorsitzende, der Generalsekretär und der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Hessen angehören. Die Runde muss sich eine Geschäftsordnung geben und diese dem Landesparteitag zur Kenntnis vorlegen.
- Konzentration auf eine Aufgabe
Jedes Vorstandsamt und jedes Mandat nimmt – wenn es engagiert ausgeübt wird – Zeit in Anspruch. Wer zu viele Ämter inne hat, wird im Zweifel keinem gerecht werden können. Mit fast 7.000 Mitgliedern ist die FDP Hessen stark genug, um Ämterhäufung zu vermeiden. Dort, wo es die örtlichen Strukturen erlauben, soll das Amt des/der Vorsitzenden grundsätzlich in nur einer Gliederung zeitgleich ausgeübt werden können. Auch eine Doppelbelastung von parallel ausgeübten, hohen Ämtern in Partei- und Fraktionsvorstand auf Landesebene sehen wir kritisch.
- Trennung von Amt und Mandat
Der Landesvorsitz sowie das Amt der Generalsekretärin oder des Generalsekretärs müssen satzungsrechtlich strikt vom Vorsitz der Landtagsfraktion, einem Landes- oder Bundesministerium getrennt sein. Die Anforderungen an diese Ämter sind zu unterschiedlich und der Zeitaufwand zu hoch, um sie in einer Person zu vereinen. Zudem kann eine Trennung dazu beitragen, die Wahrnehmung der FDP durch unterschiedliche Personen zu erhöhen.
Eine Doppelspitze soll möglich sein.
Ein arbeitender Landesvorstand
- Ressorttrennung
Im Landesvorstand sind die drei Ressorts Programmatik, Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederangelegenheiten einzurichten. Jedes Ressort wird durch ein Mitglied des Präsidiums geführt und alle Mitglieder des Landesvorstandes, außer dem/der Landesvorsitzenden und dem Landesschatzmeister, müssen genau einem Ressort zugeordnet werden.
- Abschaffung der Säulenheiligen
Die „Säulenheilige” sind die Beisitzer, die nicht im Wettbewerb, sondern entsprechend dem Wunsch einer Untergliederung. Diese Regelungen ist, wie auch schon der Namen andeutet, aus der Zeit gefallen. Regelungen, die Säulenheiligen sind deswegen aus der Satzung der FDP Hessen zu streichen.
- Trennung in erweiterten und Arbeitslandesvorstand
Der Landesvorstand ist groß und hat viele ständige Gäste. Dadurch wird Arbeit in den Sitzungen fast vollständig verhindert. Deswegen soll die Satzung der FDP Hessen in Zukunft zwischen dem regulären Landesvorstand und dem erweiterten Landesvorstand, der die Kreis- und Bezirksvorsitzenden beinhaltet, unterscheiden. Angesichts der Zahl der ständigen Gäste, halten wir es für sinnvoll zunächst keine ständigen Gäste mehr in den Landesvorstand einzuladen und nur noch anlassbezogen Einladungen auszusprechen.
- Arbeits- statt Aufsichtsratssitzungen
Angesichts der Herausforderungen, denen sich die FDP in der außerparlamentarischen Opposition stellen muss, ist es dringend notwendig, dass sich der Landesvorstand monatlich zu Arbeitssitzungen trifft.
Damit bei diesen Sitzungen auch gearbeitet wird, ist ein Vorlagensystem analog zu dem des JuLi-LaVo einzuführen.
Die Digitalpartei beginnt mit uns
- Eine App für alles
Die Bündelung aller digitalen Angebote der FDP Hessen im Rahmen einer App. Bereits jetzt ist eine Verwaltung der eigenen Mitgliedsdaten über die App einfach möglich. Zukünftig sollen Mitglieder automatisiert Push-Benachrichtigungen für Veranstaltungen und andere Informationen erhalten. Die App soll auch zur inhaltlichen Einbindung der Mitgliedschaft in programmatische Prozesse genutzt werden. Ggf. hat hier eine Absprache mit dem Bundesverband der FDP zu erfolgen.
- Digitales AMV
Wir fordern ein Online-Alex-Müller-Verfahren für alle Mitglieder zur Feststellung der Antragsreihenfolge auf einem Landesparteitag. Dieses soll vorab eingerichtet und das Ergebnis online bekannt gegeben werden. Damit beschleunigen wir nicht nur die Abläufe der Parteitage, sondern erreichen auch, dass alle Mitglieder die Anträge priorisieren können, selbst wenn sie beim Parteitag nicht in Person dabei sein können.
- Digitale Wahlen
Die digitalen Wahlen beim letzten Landesparteitag in Hofheim waren ein voller Erfolg und sollen so weitergeführt werden, um reibungslose Landesparteitage zu ermöglichen.
- Digitale Parteiarbeit
Alle Prozesse der Partei müssen auf (Teil-)Automatisierung geprüft werden. In Zukunft muss die Führung eines Kreisverbandes so einfach und automatisiert ablaufen, wie möglich. Insbesondere sollen alle Untergliederungen Zugriff auf Lizenzen für eine Videotelekommunikationssoftware, Technikempfehlungen für ein hybrides Setup, ein modernes und digitales System zur Antragsverwaltung für Sitzungen, Cloud-Lösungen, Angebote zu einem Websitesystem sowie zu Software für die automatische Bewirtschaftung von Social-Media-Kanälen erhalten.